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Liebe Leserin, lieber Leser,
über viele Jahre hat die LaS NRW Erfahrungen in der gemeinsamen Arbeit mit Seniorenbüros und insbesondere mit ehrenamtlich tätigen Menschen gewonnen. Diese Erfahrungen möchten wir nun an Sie weitergeben.
Wir freuen uns, dass Sie sich entschieden haben, die Arbeitshilfen der Landesarbeitsgemeinschaft Seniorenbüros NRW (LaS NRW) bei der Umsetzung Ihrer Ideen zu Rate zu ziehen.
Um den ersten „Anpack“ für die Umsetzung Ihrer Ideen zu organisieren, haben wir Ihnen Tipps und Tricks in dieser und den weiteren Arbeitshilfen zusammengestellt. Sei es, Sie möchten ein Erzählcafé organisieren, sich mit einer Gruppe Gleichgesinnter engagieren, Ihre bereits laufende Arbeit durch eine gute Öffentlichkeitsarbeit optimieren oder durch die Akquise neuer Mittel Ihr Vorhaben auf neue Füße stellen - zu mehreren Themen haben wir Ihnen Nützliches und Wissenswertes zusammengestellt und hoffen, Ihnen und Ihrer Gruppe einige helfende Hinweise zu geben.
Wir wünschen Ihnen viel Freude und Erfolg bei Ihrem Projekt.
Ihr Team der LaS NRW
PS: Wir sind jederzeit für weitere Ideen und Verbesserungsvorschläge dankbar.
Schreiben Sie uns einfach an info@senioren.nrw oder rufen Sie uns an.
1. Einleitung
2. Positive Auswirkungen eines Erzählcafés
3. Hinweise und Tipps für die Leitung
4. Praktische Gestaltungsideen und Themenvorschläge
5. Literatur- und Materialhinweise
„Die Momente haben es eilig.
Die Jahre haben es noch eiliger.
Die Jahrzehnte haben es am eiligsten.
Nur die Erinnerungen haben Geduld mit uns.“
(Erich Kästner)
„Vertellekes“ kommt aus dem Plattdeutschen und bedeutet „Erzählungen“. Wie ein Stein, der beim Wurf ins Wasser weitere Kreise zieht, löst eine Erinnerung die nächste aus: Bilder tauchen auf, regen an, eröffnen Nebenschauplätze. Erinnerungen treten täglich und spontan auf: in Gesprächen, in Träumen sowie als flüchtige Gedankenfetzen im Alltag. Aufgehoben in den Erinnerungen ist die Vergangenheit der Menschen: bedeutsame Daten und Zeiten, Personen, Veränderungen, Verluste oder Trennungen und andere Ereignisse, die sowohl glücklich als auch traurig sein können. Vielleicht ist diese Betrachtungsweise auch ein Grund dafür, dass hier zuerst die ältere Generation ins Blickfeld gerät, wenngleich biografisches Arbeiten in allen Lebensphasen möglich und erfüllend ist. Mit dem Einrichten eines Erzählcafés in Ihrem Treffpunkt eröffnen Sie für die BesucherInnen „Zeiträume als Erinnerungsräume“ (Ruhe 2003, S. 15).
„Die Erinnerung ist das einzige Paradies, woraus wir nicht vertrieben werden können.“
(Jean Paul)
Im Erzählcafé werden die Erfahrungen und Erlebnisse der Besucherinnen und Besucher in Erinnerung gerufen und die Gedanken- und Gefühlswelt der Menschen angesprochen, erhalten und gefördert.
Das Miteinander reden, Nachdenken, Lachen oder Singen fördert ein wohltuendes Gemeinschaftserlebnis.
Alle Beteiligten werden ähnliche historische Bezüge in ihrer Lebensgeschichte haben, so dass sich spannende Parallelen vieler Alltagserfahrungen ergeben können. Der Erfahrungsaustausch über einzelne Puzzlestücke der eigenen Lebensgeschichte, ohne dass dabei Intimes von sich selbst preisgegeben wird, vermindert Anonymität, Fremdheit und Misstrauen im Umgang miteinander.
So wird ein gegenseitiges Kennenlernen gefördert.
oder: Vergangenheit – Gegenwart – Zukunft
Durch die Erinnerung wird die Vergangenheit in die Gegenwart transportiert. Dabei wird erkennbar, inwiefern sowohl die individuelle Lebensgeschichte als auch gesellschaftliche Ereignisse Einfluss auf das eigene Leben in der Gegenwart haben. Im Zuge der Auseinandersetzung mit der Vergangenheit und der Gegenwart entstehen dann an die Zukunft gerichtete Fragen:
Feste Gewohnheiten zum Beginn und zum Ende des Treffens lassen eine gesellige und vertraute Atmosphäre entstehen:
Menschen, die über persönliche Erfahrungen berichten, machen sich angreifbar und verletzbar. Die Leitung sollte den Personen daher die Notwendigkeit und Bedeutung der Vertraulichkeit deutlich erläutern oder mit allen klären, dass man lieber etwas unpersönlicher miteinander sprechen möchte.
Die Mitgliederzahl der Gruppen sollte aus zwei Gründen nicht zu groß sein:
Wir empfehlen eine Gruppengröße von ca.
zehn Personen.
Wenngleich Regeln Sicherheit und Orientierung geben können, können sie auf der anderen Seite auch eine lebendige Kommunikation behindern. Es kommt auf das Fingerspitzengefühl der Leitung an, zu entscheiden, ob z.B. Seitengespräche zwischen einzelnen Personen gerade dem Bedürfnis der Gruppe entsprechen oder ob andere dadurch ausgeschlossen werden.
Einfache Gesprächsregeln können sein:
Die Leitung sollte die Teilnehmenden, wenn nötig, auf die Bedeutung und Einhaltung der eventuell vereinbarten Regeln hinweisen und an diese erinnern. Gesprächsregeln können insbesondere dazu hilfreich sein, dass zurückhaltende Persönlichkeiten bei den Begegnungen nicht „untergehen“.
Das Erzählcafé ist so konzipiert, dass jederzeit neue Gäste willkommen sind. Dadurch wird verhindert, dass sich innerhalb der Gruppe „kleine Cliquen“ bilden, sich die Gruppe nach außen verschließt und keine neuen Gesichter mehr erwünscht sind. Hilfreich ist es, dass die Gruppenleitung neue Gäste begrüßt und sofort in die Gruppe integriert.
Interessen und Wünsche können klar und eindeutig erfragt werden, z.B. im Gespräch oder mit der Beschriftung von Kärtchen oder Zetteln. Auch Gedankensprünge im Verlaufe der Begegnungen können aufgegriffen werden.
Ganz besonders gilt dieses für Störungen in der Gruppe. Diese zu klären hat immer Vorrang.
Im Sinne einer vertrauten und geselligen Atmosphäre sollte auch die Leitung keine abgehobene und distanzierte Rolle in der Gruppe einnehmen. Alle biografischen und persönlichen Fragen richten sich auch an sie. Die Leitung sollte sich also gleichwohl als teilnehmend verstehen.
Um die Akzeptanz der Einzelnen zu stärken, sollte die Leitung darauf achten, dass Interpretationen und Wertungen von Erfahrungen und Erlebnissen nur bedingt Raum gegeben wird. Diese können zum Rückzug oder Verstummen von Teilnehmenden führen.
Eine Hilfestellung für die Leitung kann sein, sich schon im Vorfeld Gedanken über die zu erwarteten Teilnehmenden zu machen. Mit welchen Interessen kommen sie? Sind es eher bildungs- oder eher begegnungsorientierte Menschen?
Mit der bildungsorientierten Zielgruppe kann ein gewähltes oder gestelltes Thema vorrangig sachorientiert erschlossen werden, z.B. lokalgeschichtliche Arbeit, bei der die erfahrene Geschichte im eigenen Umfeld eines Stadtteils oder einer Gemeinde erforscht wird. Hier können auch einmal ReferentInnen einen Impuls in das Erzählcafé geben, in Form einer kurzen Themeneinführung.
Im Mittelpunkt der begegnungsorientierten Zielgruppe stehen die eigene Lebensgeschichte, sowie das Erleben von Kommunikation und Kontakt. Ihnen ist die Begegnung wichtiger als das Thema. Das Erzählcafé wird mehr zum Café - warum nicht?
Aus unserer Erfahrung können wir empfehlen, für die Gruppe einen Erinnerungskoffer zusammenzustellen.
In diesem z.B. alten, braunen Lederkoffer befinden sich Alltagsgegenstände aus früheren Zeiten, die die Erinnerungsarbeit anregen können:
Dieser Koffer kann zum Einstieg, aber auch im weiteren Verlauf und zu unterschiedlichen Anlässen zum Einsatz gebracht werden.
oder: Chronologisch strukturiertes Erzählcafé
Bei dieser Methodenwahl stehen bei den einzelnen Gruppentreffen, zeitlich geordnet, verschiedene Lebensabschnitte im Mittelpunkt. Wie ein Zug, der auf seiner Strecke an bestimmten Stationen hält, begeben sich die BesucherInnen des Erzählcafés zu Erinnerungsaufenthalten an bedeutsamen Lebensstationen.
Insbesondere hier bietet sich der oben genannte Erinnerungskoffer sowohl zum sinnbildlichen Einstieg ins Thema, als auch
zum Fördern einer geselligen und entspannten Atmosphäre an: Mit dem Koffer geht man auf die Reise zu den verschiedenen – zeitlich geordneten – Lebens-Stationen (vgl. Haarhaus 2001).
Im Folgenden möchten wir zur Anregung bei der Gestaltung einige Fixpunkte vorschlagen.
Einstieg
Frühe Kindheit
Kindheit
Elternhaus
Aufgabe: einen Grundriss des Elternhauses in Umrissen zeichnen
Hausfrauenarbeit
Volksschule und höhere Schulen
Arbeit und Freizeit
Ehe und Familie
Die Zeit des Nationalsozialismus
Notzeiten
Neubeginn
Wiederaufbau
Schlussbemerkung
Lassen Sie in Ihrem Erzählcafé Zeit für Erinnerungen.
Bestimmen Sie mit der Gruppe den Zeitpunkt, wann Sie sich auf die Reise zur nächsten Lebensstation begeben.
Auch beim chronologisch gestalteten Erzählcafé können die noch nachfolgenden Gestaltungsideen eingeflochten werden, je nach Situation, Wunsch oder Interesse. Insbesondere Feste und Bräuche im Jahreskreis mit ihren alten und neuen Bedeutungen sollten situations- und jahreszeitentsprechend Berücksichtigung finden.
„Das Jahr geht an in weißer Pracht,
Drei Könige stapfen durch die Nacht...
Der Ofen singt, die Zeit vergeht,
nur sacht! Wir kommen nie zu spät.“
(Josef Weinheber)
So bunt sich die zwölf Monate eines Jahres zeigen, so vielfältig können diese auch einzelne Begegnungen eines Erzählcafés gestalten. Zwischen dem Neujahrstag und Silvester finden eine Vielzahl an Festen und Bräuchen mit ihren sich wandelnden Sitten statt und laden zum Erinnern ein. Zudem bieten auch Namenstage und Geburtstage Anlässe für lebhafte Gespräche. Entsprechende Daten könnten bei den Begegnungen gewürdigt werden.
Januar
Auch bezeichnet als: Wintermonat – Schneemonat - Eismonat – „Tür des Jahres“
Besonderheiten: Neujahr - Dreikönig
Februar
Auch bezeichnet als: Taumond - Schmelzmond - Narrenmond - Hornung
Besonderheiten: Fastnacht - Fastnachtsspeisen - Weiberfastnacht - Fastnachtsumzüge - Karneval - 14. Februar Valentinstag
März
Auch bezeichnet als: Lenzmonat - Lenzing - Frühlingsmonat
Besonderheiten: Frühlingsanfang - Fastenzeit
April
Auch bezeichnet als: Launig - Ostermonat
Besonderheiten: Karwoche - Ostern – „Osterhase“
Mai
Auch bezeichnet als: Weidemonat - Wonnemonat
Besonderheiten: 1. Mai - Maibaum - Maibowle – Rezepte (könnten zusammengetragen werden) - Maiglöckchensträuße - Erster Matjeshering - Muttertag - Christi Himmelfahrt (40. Tag nach Ostern) – Vatertag- Pfingsten (50ster Tag nach Ostern) - Fronleichnam - Maitouren
Juni
Auch bezeichnet als: Rosenmonat - Brachmond
Besonderheiten: Brunnenfeste (am Johannistag) - Siebenschläfer - Sommeranfang - Fahrradtouren
Juli
Auch bezeichnet als: Heumonat
Besonderheiten: Kirschernte
August
Auch bezeichnet als: Erntemonat - Ährenmonat - Sichelmonat
Besonderheiten: Marie Himmelfahrt - Kirchweih - Ernteaberglauben – Erntekranz - Erntekrone
September
Auch bezeichnet als: Herbstmonat - Scheiding - Holzmonat
Besonderheiten: Herbstanfang - Laternenfeste - Laternenlieder
Oktober
Auch bezeichnet als: Weinmonat - Dachsmonat
Besonderheiten: Oktoberfeste - Erntedankfest (1. Sonntag im Monat) - Kartoffelfeuer - Kürbisfeste - Tag der Deutschen Einheit – Halloween
November
Auch bezeichnet als: Nebelung - Schlachtmonat
Besonderheiten: Allerheiligen / Allerseelen - Sankt Martin (11. November) - Martinsgans
Dezember
Auch bezeichnet als:Christmonat - Julmonat - Heilmond - Wolfsmond
Besonderheiten: Adventszeit - Adventskranz - Adventssonntage - Adventskalender - Nikolaus - Weihnachtsgeschenke - Weihnachtsbaum - Silvester
In Anlehnung an veröffentlichte Chroniken einzelner Regionen, Länder oder Sachgebiete, kann die Chronik der eigenen Biografie erstellt werden. Diese ermöglicht es, den Zusammenhang zwischen allgemeiner und individueller Entwicklung herzustellen, z.B. indem nachgelesen wird, was sich
an bestimmten Daten der eigenen Lebensgeschichte (Geburtstage, Einschulung, Schulzeit, Berufstätigkeit) öffentlich ereignet hat. Chroniken sind im Buchhandel oder auch in der Stadtbücherei zu finden.
Unterhaltsam und anregend kann es sein, die Zeitgeschichte mit Hilfe alter Zeitungsartikel (lokale Berichterstattung, Politik) auszuwerten.
Zugang:
Die Teilnehmenden stellen sich vor, dass ihr ganzes Leben zwölf Stunden umfasst.
Sie erhalten oder gestalten sich einen Arbeitsbogen, auf dem eine Uhr ohne Zeiger abgebildet ist.
Die Anwesenden beantworten jeweils für sich die Frage nach der eigenen momentanen Uhrzeit und zeichnen die Stunden- und Minutenzeiger entsprechend ein. Zur Diskussion können noch weitere Fragen gestellt werden, wie:
Die Vorfahren und Nachkommen bestimmen oft den eigenen Platz im Leben mit und haben somit eine große Bedeutung. Die verwandtschaftlichen Beziehungen werden nachgebildet: Sie werden aufgeschrieben, anhand eines Baumes bildlich dargestellt, gegebenenfalls auch mit Fotos gestaltet. Das Aufstellen eines Stammbaumes kann verdeutlichen, dass jeder seit der Geburt und über den Tod hinaus in ein Familiennetz eingewoben ist.
Kochbücher und / oder Rezeptsammlungen – gezeichnet mit Spritzern, Handschriften oder auch zerfledderten Buchrücken – lassen vergangene Küchensituationen aufleben.
Kochen und Essen spiegeln:
Wer kennt es nicht? Obwohl alle Zutaten bekannt sind, will es nicht gelingen, den besonderen Geschmack mancher Gerichte der Mutter oder Großmutter zu erreichen.
Tipps:
Volkslieder und Schlager sind den älteren Menschen oft bekannt und bewegen die Erinnerungs- und Gefühlswelt nachhaltiger als Worte und Texte. Noten und Texte können auch von der Stadtbücherei ausgeliehen werden. Darüber hinaus stiftet das gemeinsame Singen ein Gemeinschaftserlebnis. Reihum wird ein Lied vorgestellt, dazu werden konkrete Erinnerungen geschildert.
Märchen, Sagen, Gedichte, Mythen oder Fabeln sind in der Regel seit der Kindheit bekannt, schildern vorrangig alltägliche Lebenssituationen oder –abschnitte und sprechen somit tiefliegende Erinnerungen an. Die Texte könnten von der Leitung des Erzählcafés zur Verfügung gestellt, aber auch von den Besucherinnen und Besuchern vorgeschlagen und vorgetragen werden.
Auch
Gebete
können Lebens- und Kindheitserfahrungen in sich bergen. Dabei sind unter Umständen weniger die Gebete selbst, sondern vielmehr die Erfahrungen, Bilder und Rahmenbedingungen, die mit ihnen verbunden sind, bedeutsam für die eigene Lebensgeschichte. Eine Gruppe trägt untereinander Gebete zusammen und tauscht sich reihum darüber aus. Gebetstexte könnten auch für alle zusammengestellt werden.
Fixpunkte eines Durchschnittslebens wie:
werden hinsichtlich verschiedener Zeitabschnitte miteinander verglichen.
Insbesondere zur generationsübergreifenden Arbeit geeignet.
Fragen, wie:
Solche Fragen verdeutlichen, wie
zufrieden
man sein Leben gelebt hat und wie das zukünftige Leben gestaltet werden soll.
Enzensberger, Hans Magnus: Allerleihrauh. Viele schöne Kinderreime
(Thalia.de)
Ruhe, Hans Georg: Methoden der Biografiearbeit. Lebensspuren entdecken und verstehen
(Thalia.de)
Ryan, Tony; Walker, Rodger: Wo gehöre ich hin? Biografiearbeit mit Kindern und Jugendlichen
(Thalia.de)
Brettspiele, im Fachhandel zu erwerben, z.B.